Autoreninterview mit Axel Heimken

„Ich hatte nie geplant, Kriegsreporter zu werden“

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Axel Heimken in Afghanistan © Andre Spangenberg
Axel Heimken mit US-Soldaten in Afghanistan © John Loesche
Axel Heimken erwischt beim Fotografieren @ John Loesche

WELTSEHER: Wann und warum warst du das erste Mal in Afghanistan?

Axel Heimken: Insgesamt war ich drei mal in Afghanistan: Ein Mal in 2011 und zwei Mal in 2012. Das erste Mal habe ich als sogenannter embedded Journalist als Fotograf ein US-Ranger Platoon in den Bergen der Provinz Paktika begleitet. Die Chance, als deutscher Journalist US Truppen in Afghanistan zu begleiten, habe ich sehr kurzfristig durch die damalige Nachrichtenagentur dapd erhalten. Vorgeschaltet war ein Training zusammen mit den Soldaten in Bayern im JMRC – Joint Multinational Readiness Center, einem Camp in dem mehr oder weniger realistisch Afghanistan nachgebaut worden ist, um dort  Soldaten auf ihren Einsatz vorzubereiten. Das hatte den Vorteil, dass ich die Soldaten die ich in Afghanistan begleitet habe schon vorher kennengelernt habe und sie auch mich kannten. Das macht es vor Ort einfach leichter.

Und das zweite Mal?
Da war ich bei der Bundeswehr im OP-North, einem Aussenposten in den Bergen der Provinz Baghlan. Hier waren es im Gegensatz zu den US-Amerikanern, die eher zu Fuss durch die Berge gegangen sind, motorisierte Patrouillen und eine komplett andere Auftragslage.

Ich hatte nie geplant oder mir vorgenommen Kriegsreporter zu werden und es ist auch nach wie vor nicht mein Ziel. Mich hat diese drei Mal die pure Neugier angetrieben, das Wissen wollen, ob es zwischen den tagesaktuellen Nachrichten aus dem Brennpunkt und dem tatsächlichen Geschehen, das man erlebt, Unterschiede gibt. Für mich war es gleichsam spannend als auch beängstigend in diese mir vorher unbekannte Welt einzutauchen und ein Teil dessen zu sein. Bestimmt hat jeder Vorstellungen und Klischees im Kopf und ich wollte herausfinden wie real die sind. Ausserdem war es spannend, den Vergleich zwischen den mir „bekannten“ Deutschen und den mir „unbekannten“ Amerikanern zu sehen. Allein die Tatsache das bei der Bundeswehr immer von Friedensmission und ähnlichem geschwafelt wird, die Amerikaner es aber ganz klar als Krieg sehen, war etwas, das mehr als deutlich rüberkam. Wenngleich sich viele vorgeformte Meinungen in Luft aufgelöst haben. So habe ich mich bei den Amerikaner deutlich besser aufgehoben gefühlt, als bei den Deutschen. Bei der Bundeswehr war vieles schwierig, nicht realisierbar, nicht machbar etc. Bei den US-Truppen habe ich mich deutlich akzeptierter gefühlt. Zumal ich mir dort selbst aussuchen konnte, mit wem ich losgehe und was ich mache und das mit nur ganz wenigen Einschränkungen.

Ich habe die Amerikaner als ehrlicher, direkter, freundlicher und mir deutlich näher erlebt, als das bei meinen eigenen Landsleuten der Fall war. Bei den Amerikaner habe ich niemals ein Nase rümpfen oder Ablehnung als Journalist erlebt, bei den Deutschen regelmässig. Eine erstaunliche Erfahrung. Gleichzeitig habe ich durch die Amerikaner ein viel besseren Kontakt zu den Einheimischen bekommen als bei den Deutschen. Das hat vielerlei Gründe, die ich nicht alle ausführen will, aber auch gegenüber den Afghanen habe ich die Amerikaner als deutlich interessierter, kommunikationsreicher und engagierter erlebt als die Deutschen. Es mag sein dass das Ausnahmen waren und es woanders ganz anders ist. Mein Bild hat sich so aber gefestigt.

Das dritte Mal war ich „nur“ in Kabul und habe mich dort weniger mit dem militärischen als mit dem täglichen Leben auseinander gesetzt. Ein klarer Gegenpol zu den militärischen Aktionen die ich begleitet habe und wichtig um mein persönliches Bild des Landes im Ansatz zu komplettieren.

Wie war der Alltag im Lager?
Der Alltag im Lager ist weniger spannend als man es sich vorstellt. Es gibt kaum Einschränkungen des normalen Lebens. Jedes noch so kleine Camp hat Duschen, Internetverbindung, kleine Feldküchen und mehr oder minder komfortable Schlafplätze. Natürlich alles kein Vergleich mit dem Leben hier in Deutschland. Aber es ist auch nicht so dass man völlig verwildert im Nirvana eines Kriegsgebiets lebt. Kein Wunder – die Soldaten sind ja durchaus längere Zeiten da – und Einheiten die nach Hause fahren übergeben ihre Camps an die Neuankömmlinge. Da es diese Camps seit Jahren gibt baut jede Einheit sie ein bisschen aus und so sind im Laufe der Jahre aus kleinen Zeltcamps in der Einöde befestigte Anlagen geworden, teilweise mit Waschmaschinen, Cola-Automaten etc. Ich habe Bilder gesehen wie die Camps entstanden – das war teilweise abenteuerlich primitiv. Aber das ist Jahre vor meiner ersten Ankunft so gewesen und die Ursprünge habe ich natürlich nicht mitbekommen.
Was anderes ist es dann wenn man rausgeht oder fährt. Da lässt man allen Komfort hinter sich muss heftig viel Gepäck in teilweise ziemlichen Höhen tragen. Da geht einem als Untrainierten schnell mal die Puste aus. Afghanistan ist bergig und wenn man Pech hat sind die Auf- und Abstiege der Wege zu Fuss absurd steil und man verzweifelt an der körperlichen Belastung.

Der Umgangston in den Lagern ist deutlich rauher als den Alltagston den man im normalen Leben gewohnt ist. Und meistens mit viel Sarkasmus verbunden, genau so wie mit ziemlich groben Witzen und es gibt keine Situation in der nicht ein lästernder Spruch fällt. Gewöhnt man sich aber dran. Und ganz unterm Strich ist Humor und sei er auch noch so roh das beste Mittel um aufkeimende Angst oder Zweifel zu unterdrücken.

Was war das schlimmste, das du in Afghanistan erlebt hast?
Das schlimmste was ich in Afghanistan erlebt habt ist eigentlich keine spezifische Situation sondern eher das Gesamtgefühl niemals wirklich sicher zu sein. Das permante Gefühl gefährdet zu sein lässt einen nicht los. Und es ist zumindest bei mir so gewesen dass es, je länger man da ist, stärker wird. Das Gefühl einer solchen Angst habe ich in meiner Welt noch nie erlebt. Es ist zumindest unterbewusst immer da, es ist mal ausgeprägt mal wieder fast verschwunden, aber niemals ganz. Dieses Restrisiko, dass immer etwas passieren kann, insbesondere dann wenn man nicht damit rechnet macht einen auf Dauer mürbe.

Welche Regionen sind ansonsten noch spannend  für dich?
Es gibt noch so einige Regionen die ich besonders spannend finde und von denen ich hoffe sie einmal beruflich besuchen zu dürfen bzw. fotografische Projekte zu realisieren. Zum einen sind das Themen aus dem Bereich Flora und Fauna. Ich habe vor einiger Zeit in Indonesien Komodo-Warane fotografiert. Es gibt sie auf zwei Inseln. Auf Komodo werden sie von den Menschen gefüttert und sind entsprechend träge und ungefährlich. Auf Rinca leben keine Menschen, da sind die Tiere in ihrem Terrain und das ist deutlich spanndender. Ich war auf Rinca und diese Tiere zu fotografieren hat riesig Spass gemacht. Das war Wildlife pur.

Zum zweiten sind das Themen aus dem sozialen/humanen Bereich. Ich habe mich im letzten Jahr auf ein Projekt mit den sogenannten Lampedusa-Flüchtlingen eingelassen und aus diesem Erlebten heraus ist mir das Thema sehr nahe. Es gibt sie heute wieder – die sogenannte Völkerwanderung. Menschen verlassen ihre Lebensräume aus verschiedensten Gründen. Krieg, Hunger, Armut, religiöse Unterdrückung etc. Die Suche nach Freiheit und Wohlstand ist für ganze Völkergruppen ein verständliches Ziel geworden. Diese Prozesse würde ich in Zukunft gerne in Zukunft weiter fotografisch begleiten, illustrieren, und dokumentieren. Regionen dazu gibt es genug.

Vielen Dank!

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