Autoreninterview mit Annabel Trautwein

„Vulkane sind Trichter ins Innere der Welt“

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WELTSEHER:  Warum wolltest Du auf den Vulkan klettern?

Annabel Trautwein: Ein Vulkan ist ein Trichter ins Innere der Welt, ein faszinierendes Naturphänomen. Vulkane können tödlich sein, sind aber auch der Ursprung allen Lebens auf Java – die Insel am Ausläufer des Pazifischen Feuerrings ist zum Großteil aus Vulkanen entstanden. Bis heute prägen die Vulkane die indigene Kultur Javas.

Warum gerade Gunung Ijen?

Gunung Bromo ist der bekannteste Vulkan auf Java, deshalb ist er auch touristisch recht überlaufen. Gunung Ijen dagegen ist noch ein Geheimtipp. Er wird nicht so offensiv beworben, was bestimmt auch an den Arbeitsverhältnissen der Schwefelträger und Bergleute liegt, die bei vielen Touristen Kritik hervorrufen. Dass wir bis an die Schwefelquelle gelangen konnten, war Glück – die meisten Bergführer machen am Kraterrand kehrt. Auch von dort gibt es jedoch fantastische Naturschauspiele zu erleben – besonders wenn mit dem Morgengrauen die Farben der Natur erwachen.

Was sollte jeder Tourist auf Java mal gemacht haben?

Mindestens einen Vulkan besteigen – das gehört auf Java zum touristischen Standardprogramm, ebenso wie ein Besuch in Borobodur, einem der ältesten Buddistischen Tempelanlagen in Südostasien. Wer den Tempel besichtigt, sollte sich unbedingt die Zeit nehmen, in der vorgesehenen Route hinaufzusteigen und das Heiligtum auf jeder der konzentrischen Terrassen zu umrunden. Wer – wie die allermeisten Touristen – spornstreichs zur Spitze läuft, bekommt von der spirituellen Kraft der Architektur überhaupt nichts mit. Sowohl Borobodur als auch die hinduistische Tempelanlage Prambanan liegen in der Nähe der Stadt Yogyakarta, der Hochburg der javanischen Künste. Besonders Batik wird hier kultiviert – und als billige Druckware an Touristen verhökert. Echte Kunstwerke, von traditionell bis modern, gibt es in der Hochschule für Batik. Am spannendsten aber ist Java abseits der touristischen Pfade. Wer die Insel in Ruhe entdecken möchte, sollte sich eine Gegend im Landesinneren suchen, die wichtigsten Vokabeln und Zahlen auf Indonesisch lernen, den guten Geistern vertrauen, die bösen nicht fürchten und einfach drauflos ziehen.

Haben die Einblicke in die Schwefelproduktion deinen Umgang mit Schwefelprodukten hierzulande verändert?

Schwefel wird klassischerweise für Streichhölzer verwendet, aber auch, um Zucker oder Trockenfrüchte weiß zu machen. Seit ich erlebt habe, wie der Schwefel am Gunung Ijen gewonnen wird, verzichte ich so gut ich kann auf weißen Kristallzucker und nehme stattdessen Vollrohrzucker, der weder raffiniert noch gebleicht ist. Natürlich wird das keinem der Bergleute auf Java helfen – viele würden sich vermutlich eher über den Versuch ärgern, ihre Arbeit überflüssig zu machen. Schließlich ist der Job ihre Lebensgrundlage, und nach javanischen Verhältnissen werden sie nicht einmal schlecht bezahlt. Dauerhaft bessere Verhältnisse entstehen wohl erst mit neuen, besseren Perspektiven. Eine von den Arbeitern genossenschaftlich betriebene Seilbahn könnte so eine Perspektive sein – aber von solchen Ideen ist an den Hängen des Ijen nichts zu hören.

Unsere Autorin im javanischen Hochland. Foto: Michael Ziehl
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